Formationsflug in der Praxis
Original von Paul "Outlaw" Guhl
Anpassung und Ergänzung K. Hagen (Col. "Bad News", 23rd VFS Hawks)
Formationen sind von essentieller Bedeutung für die erfolgreiche Durchführung von Kampfmissionen.
Die Formation muss im Verlauf des ganzen Einsatzes eingehalten werden. Sollten während der Kampfhandlungen
die Package Mitglieder aus den Augen verlieren, befolgen sie alle Maßnahmen, die in der allgemeinen
Formationsanweisung beschrieben wurden. Moderne [aber eigentlich schon seit Anfang der mil. Luftfahrt]
Kampfflugzeuge werden nie einzeln auf Kampfmissionen geschickt, es reduziert die Überlebenschancen der
Maschine und der Besatzung, sowie die Vernichtungswahrscheinlichkeit des Einsatzziels.
Es gibt zahlreiche Formationen, die je nach Einsatzlage und Auftrag ausgewählt und geflogen werden.
Die Formation kann im Verlauf des Einsatzes je nach Kampflage verändert oder modifiziert werden. Die
Verantwortung für Effektivität und Sicherheit der gewählten Formation obliegt
ausschließlich dem Package Leader (Flight Leader). Formationsbefehle werden nur vom Flight Leader
erteilt und müssen sofort nach Bestätigung aller Besatzungen unmittelbar ausgeführt werden.
Der taktische Einsatz des Packages ist ausschließlich sein Verantwortungsbereich.
Ein Flight Leader muss für seine Funktion qualifiziert sein und über Führungserfahrung
verfügen. Im 23rd VFS sollte ein Flight Leader min. den Rang eines Captain führen. Nur in
Ausnahmefällen kann ein befähigter und kurz vor der Beförderung stehender 1st Lieutenant
als Flight Leader eingesetzt werden.
Alle Mitglieder des Packages unterstützen sich gegenseitig. Durch versetzte Positionen im Flight
können die Piloten sich einen besseren (visuell, RWR Anzeige und Radar Schirm) Gesamtüberblick
über die Lage verschaffen. Sie warnen den Leader über unmittelbare Bedrohungen, die er nicht oder
noch nicht erkannt hat: IR SAM Abschuss, gezieltes Feuer der Flak, aufsteigende Feindjäger u.s.w.
I.d.R. hat der Flight Leader den besten Überblick nach vorn. Sein Wingman (wenn er an seinen Rechten
fliegt) beobachtet ständig die linke Flanke des Flights, da er im Flug ständig den Leader im Auge
behalten muss und somit diese Seite visuell besser observieren kann. Umgekehrt gilt es für das zweite
Element (falls vorhanden).
Formationen werden grundsätzlich nicht verändert, wenn:
- Unter 500ft AGL geflogen wird
- Schlechte Sichtverhältnisse gegeben sind
- Nachteinsatz ohne Nachtsichtausrüstung geflogen wird
- High G Manöver ausgeführt werden
Jede Formation hat ihre praktische Verwendung und wird hier im Detail beschrieben:
Wedge
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Eine der grundlegenden
Formationen ist die Wedge Formation. Sie ist leicht auszuführen und kann
problemlos sogar bei High G Manövern eingehalten werden. Sie wird primär
in A/A Missionen verwendet und außerdem oft bei Anflügen auf A/G Ziel
eingesetzt. Die Package Mitglieder haben eine gute Übersicht und können
sich gegenseitig unterstützen. Chainsaw oder Pince Manöver sind schnell
einzuleiten.
Aufgabenverteilung:
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Ist der Package Leader. Er hat die beste Übersicht nach vorn. Deswegen
werden in den meisten Fällen Ziele & Bedrohungen von ihm entdeckt.
Diese Position darf nur von erfahrenen und als Leader qualifizierten
Piloten belegt werden.
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Wingman des Flight Leaders. Er sichert linke Flanke des gesamten
Flights UND (zusätzlich) des 2 Elements ab.
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Element Leader. Obwohl er ein Leader ist und das Kommando über den 4
Wingman hat, befolgt er Anweisungen des Flight Leaders. Ein Element Leader
hat min. den Rang eines 1st Lieutenant. Sein Job ist es, die rechte Flanke
und das 1 Element abzusichern. Piloten mit Formation- &
Einsatzerfahrung haben die besten Voraussetzungen für diesen Job.
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Wingman 4 ist meist der unerfahrenste Pilot des Flights und sichert das
gesamte Package visuell ab.
ACHTUNG
2 & 3 liegen nicht auf dem gleichen Level!!! Nr. 3 fliegt leicht
nach hinten versetzt (dadurch werden Mid Airs beim Manövrieren vermieden). Diese
Formation ist absolut ungeignet für Bodenangriffe: durch Splitterwirkung würden
die Piloten sich gegenseitig in Gefahr bringen
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Arrow Head
Arrow Head ist eine Abhandlung der Box Formation (siehe weiter unten) und wird zu Ehren des
Erfinders "Joe Bob" Viereck genannt (berühmter F-4/F-16 Pilot). Sie bietet gute
Absicherung nach hinten für das 1 Element. Sie empfiehlt sich, wenn das 1 Element einen
Bodeangriff einleitet, während das 2 Element (mit entsprechender Bewaffnung) Deckung gegen
feindliche Jäger von vorne und von hinten bietet. Diese Formation bietet keinen so guten
Überblick wie die Wedge und wird selten eingesetzt. Der Wingman 4 ist meistens schutzlos
und ist auf sich gestellt.
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Echelon
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Die Echelon Formation eignet sich am besten für größere Strike Packages (mehr als
4 Flugzeuge). Sie bietet optimale Flexibilität und ist noch relativ leicht einzuhalten. Sie
kann sowohl rechts (wie auf dem Bild), als auch links ausgerichtet sein. Die Entscheidung über
die Ausrichtung der Formation ist nur von der Anzahl der Rechts- & Linkskurven der Einsatzroute
abhängig.
Aus dieser Formation heraus können leicht zeitversetzte Angriffe auf Bodenziele eingeleitet werden
(siehe unter "taktische Formationsverwendung"), die SAM und AAA Bedrohungen umgeflogen werden
und defensive Maßnahmen gegen Bedrohungen aus der Luft ausgeführt werden.
Die Formation kann ohne Veränderung gegen Flächenziele verwendet werden.
Das Package hat maximale Feuerkraft nach vorn und kann sich effektiv gegen feindliche Jäger aus
allen Richtungen verteidigen (die Betonung liegt auf verteidigen!).
Eng geflogen, kann sie schwer von anderen Flugzeugen aufgeschaltet werden. Außerhalb von 20nm ist
es praktisch unmöglich die wirkliche Anzahl der Flugzeuge festzustellen. Echelon kann durch die
Tiefe der Formation nur sehr schwer bekämpft werden. Während die Gegner das 1/2 Flugzeug
angreifen, können andere Flugzeug ihnen in den Rücken fallen, aus Höhe oder Tiefflug (oder
sogar beides) den Feind angreifen. Alle vorstellbaren taktischen Manöver können aus Echelon
heraus eingeleitet werden.
ACHTUNG
Echelon bedarf ständiger Konzentration und guter Koordination durch den Flight Leader, alle Manöver
breiten sich wellenförmig aus (wenn z.B. Wingman 2 weiter nach rechts rutscht, kommt das ganze Package
in Bewegung)
Die Wingman orientieren sich NUR an dem jeweiligen Leader (W2 am Leader, W3 an W2 u.s.w.), seid also auf
plötzliche Bewegungen gefasst.
Echelon bietet ihre Vorteile, muss aber fleißig geübt werden. Gut geflogen ist sie unschlagbar.
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Spread
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Die Spread Formation hat nur 2 Verwendungszwecke und ist NIE die primäre Formation für den Reiseflug.
Sie ist schwer einzuhalten beim Wenden und gefährlich im Luftkampf. Dennoch hat sie ihren praktischen Nutzen:
wenn das Package eine stark durch AAA und SAM verteidigte Front (Küstenlinie, FLOT) überfliegt, kann
das Risiko durch Spread Formation stark reduziert werden. Die meisten Abwehrsysteme sind nicht im Stande mehrere
Ziele, die GLEICHZEITIG ins Gefahrenbereich kommen und aggressiv ECM Maßnahmen einsetzen, zu bekämpfen.
Meist werden sich die SAM Operatoren für ein/zwei Ziele entscheiden müssen, während die restlichen
Maschinen ungehindert durchfliegen können. Spread wird unmittelbar vor dem Einflug in den Gefahrenbereich
eingenommen nach dem Überflug wieder gewechselt. Sie kann rasch aus der Echelon Formation transformiert werden
(hier müssen die Flugzeuge nur schnell aufrutschen). Die erste koordinierte Kurve wird automatisch Spread in
Echelon umwandeln.
Weiterer Verwendungszweck: schnelle Flächenangriffe mit Lenkwaffen wie Maverick, HARPOON oder HARM. Sollte es
notwendig sein, einen schnellen Überraschungsangriff mit Lenkwaffen auszuführen, wird die Spread eingesetzt.
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Box
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Die Box Formation ist eine kompakte Formation für Bodenangriffe, sie ist optimal für 4 Flugzeuge,
die im Tiefstflug an ihr Ziel heranpirschen müssen. Die Formation bietet gute Übersicht, ist leicht
einzuhalten und kann sich effektiv gegen aus allen Richtungen kommende Bedrohungen verteidigen.
Perfektes Geschwindigkeitshandling ist notwendig, um diese Formation ohne ständiges (und im Tiefflug
gefährliches) Umschauen einzuhalten. Durch Höhenunterschied zw. den beiden Elements kann diese
Formation auch zur SAM Bekämpfung eingesetzt werden. Nur durch Ansage des Leaders kann sie eingehalten
werden, achtet drauf. Alle möglichen Manöver, Geschwindigkeiten und G's für jeweilige Wenden
müssen vor dem Einsatz im Briefing festgelegt werden.
Ferner kann Box auch von Escort Packages eingesetzt werden. Auf diese Weise sind Strikers effektiv gegen alle
Bedrohungen gesichert.
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Trail
Trail ist und bleibt eine der beliebtesten Formationen für A/G Angriffe und kann in allen Höhen
eingesetzt werden. Durch größeren Abstand zw. dem 1 & 2 Element wird ausreichender Sicherheitsabstand
für den Einsatz von Bomben gewährleistet. Beim Zielanflug sichert zusätzlich das 2 Element den
rückwärtigen Raum gegen Feindflugzeugen und SAM ab. Das 1 Element führt die erste Angriffswelle
durch und räumt das Zielgebiet von Bedrohungen aus der Luft oder SAM/AAA (falls HARM oder Maverick
mitgeführt werden) frei.
ACHTUNG
In Trail Formation dürfen vom 2 Element KEINE A/A Waffen gegen Bedrohungen nach vorne eingesetzt werden!!!
Sollten vom 2 Element die Gegner angegriffen werden, müssen Wingman 3& 4 um mind. 300ft für AIM-12//-7
und 500 oder mehr für Aim-9 aufsteigen. Trotz der Radarerfassung kann die Sidewinder, abgeschossen durch die
Höhe des 1 Elements, falsche Ziele erfassen und eines der eigenen Flugzeuge abschießen!
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Res Cell
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Die "Res Cell" Formation wird überwiegend in BVR Kämpfen praktiziert. Außerhalb der 20nm
Grenze ist es dem Gegner unmöglich festzustellen, wie viele Jets in der Formation sind. Res Cell bietet
maximale Feuerkraft nach vorn und ist gleichzeitig durch Wingman in alle Richtungen visuell abgesichert. Alle
taktischen A/A Abfang- & defensiv Manöver können aus Res Cell eingeleitet werden. Dennoch muss diese
Formation aufgelöst werden, bevor der Gegner die 10nm Grenze unterschreitet und der BVR Angriff zum Dogfight
wird. Anderenfalls operieren zu viele Jets auf engem Raum, Kollisionen sind nicht auszuschließen. Res Cell
eignet sich auch für den Zielanflug aus allen Höhen. Unmittelbar vor dem A/G Waffeneinsatz wird die
Formation in Trail oder Line transformiert. Sie ist kompakter als Wedge und ist in einigen Situationen besser geeignet.
Z.B. zum Durchflug enger von SAM unerreichbarer Korridoren.
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Line
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"Last but not least", die "Line" Formation. Sie eignet sich ausschließlich für A/G
Angriffe, Zielan- & -abflüge unter 500ft und mit beliebigem Abstand zw. einzelnen Maschinen. Sie ist
leicht einzuhalten und kann unproblematisch durch alle Manöver und Höhen eingehalten werden. I.d.R.
wird der Abstand zw. den einzelnen Flugzeugen vergrößert, je stärker die eingesetzten A/G Bomben
in ihrer Splitterwirkung sind. Der große Nachteil der Line ist, dass der Leader und der letzte Wingman auf
sich angewiesen sind. Der Leader einer Line bewertet das vor ihm liegende Terrain, nutzt Terrain Masking und versucht
den SAM und AAA aus dem Weg zu gehen. In Line können sehr enge luftabwehrfreie Korridoren durchflogen werden. Der
Leader muss über große Führungs- und Einsatzerfahrung verfügen. Um Line Formationen erfolgreich
einzusetzen, muss er seine Manöver ankündigen und was noch wichtiger ist: seine Wendepunkte für alle
Piloten deutlich beschreiben. KEIN Flugzeug des Flights darf aufsteigen, um visuellen oder Radar Kontakt zu seinem
Vordermann herzustellen. Präzise Höhe/Kurs/Geschwindigkeit sind die Voraussetzungen für erfolgreichen
Einsatz der Line. Vor dem Flug werden sämtliche Abschnitte der Route, die in Line durchgeflogen werden, abgesprochen.
Mit ausgeschaltetem Radar und Funkdisziplin kann das Package lange Zeit (bis zum Angriff) unsichtbar bleiben.
Eine Variation der Line ist die Ladder Formation. Im Gegensatz zur Line fliegen die Maschinen mit einem Höhenunterschied
hintereinander. Ladder wird eingesetzt, wenn das Ziel massiv durch Luftabwehr verteidigt wird. Durch Höhenunterschied
und die Tiefe der Ladder, kann sie nur schwer bekämpft werden. Während die Wingman in großer Höhe die
Aufmerksamkeit der SAM Operatoren auf sich locken, fliegt der Leader schnell und unentdeckt unter Ausnutzung des Terrains
(optimalerweise ohne Radar und ECM Einsatz) auf das Ziel heran und bekämpft es BEVOR der Wingman in den Gefahrenbereich
eindringt.
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